Wenn man das Haus meiner Eltern durch die Terrassentür betritt, sieht man vor sich etwas unterhalb der Augenhöhe ein Schwarz-Weiß-Foto einer Gruppe von Birken an einem Feldrand. Das Foto ist in einem rahmenlosen Glaspassepartout gefasst und hängt am Kopf der Wand, die das Esszimmer vom Wohnzimmer trennt. Die beiden Räume zusammen sind das, was im Hauschargon als „vorne“ bezeichnet wird, während die Schlafzimmer, das Bad, ein erst später ans Haus angebautes Arbeitszimmer und das an dieses anschließende Gästezimmer „hinten“ sind. Man ist entweder vorne, oder hinten, oder in der Küche. Erst kürzlich kam mir der Gedanke, dass die Geräusche der Terrassentür wahrscheinlich zu den am tiefsten verfestigten Sinneseindrücken meiner Kindheit (meines Lebens) gehören.
Mir wurde das bewusst, als ich an einem anderen Ort in einem Bett liegend das Geräusch der sich öffnenden Terrassentür zu hören glaubte und daher im Halbschlaf meinte, im Haus meiner Eltern zu sein, wo ich in der Regel noch heute in meinem früheren Zimmer schlafe, wenn ich zu Besuch bin. Dieses Zimmer liegt hinter dem Esszimmer und war, bevor ich es im Alter von etwa zehn Jahren bezog, in zwei Zimmer unterteilt, die Zimmer meiner beiden älteren Schwestern. Als diese schon ein paar Jahre ausgezogen waren und mein nächstälterer Bruder und ich die einzigen im Haus verbliebenen Kinder waren, wurde die Trennwand herausgerissen und aus den zwei sehr kleinen Zimmern eines gemacht. Die Tür, die von dort heute direkt nach außen und in den Garten führt, wurde leider erst eingebaut, als ich selber auch schon ausgezogen war. Versuche ich, mir das Geräusch dieser Tür vorzustellen, so gelingt mir das nicht. Aber die Geräusche der Terrassentür sind verlässlich abgespeichert.
Es sind drei Geräusche: das klackende Geräusch, wenn sie sich öffnet, das etwas nachscheppernde Geräusch, wenn sie sich schließt, und das kurze, säuerliche Schlaggeräusch, das entsteht, wenn die nach außen öffnende Terrassentür ganz aufschwingt und der Metallknauf auf die unverputzte Ziegelwand des Hauses trifft. Dieses Geräusch wird oft verhindert durch einen Holzklotz, ein Stück aus dem Stamm eines vor vielen Jahren gefällten Kirschbaums, der vor der Terrassentür bereit steht, diese zu blockieren, wenn man das Ess- oder das Wohnzimmer lüften möchte. Denn unblockiert würde die Terrassentür von der Schwerkraft gezogen langsam wieder zu schwingen. Die Geräusche beim Öffnen und Schließen der Tür entstehen durch die spezielle Einrastvorrichtung, die sie geschlossen hält. Anstelle eines beweglichen Schließkeils hat diese Tür im Rahmen einen Beschlag mit einer auf eine Feder aufgesetzten Kugel, die auf Druck nachgibt, um dann in eine dafür vorgesehene Mulde in der Zarge einzurasten. Das heißt, die Tür öffnet man nicht, indem man einen Türgriff kippt, sondern indem man diese Kugel durch einen sanften Zug am Metallknauf (von außen), bzw. durch Druck (von innen) aus der Mulde löst.
Das Geräusch muss demnach beim Anschlagen und Einrasten der Kugel entstehen. Der deutliche Unterschied zwischen dem Geräusch der sich öffnenden und dem der sich schließenden Tür kommt daher, dass die Tür Teil einer etwa vier Meter breiten Fensterfront ist, durch die man vom Esszimmer auf die Terrasse blickt. Der größte Teil dieses Fensters besteht aus einer ungefähr 1,50 mal 2,50m messenden Glasscheibe, die beim Öffnen und Schließen der Terrassentür mitschwingt. Wenn man die Tür schließt, schwingt die Scheibe stärker, abhängig davon wie heftig dieses Schließen vor sich geht, etwa ob die Tür selber sanft ins Schloß gefallen ist oder man sie in Eile oder Wut heftig zu geschmissen hat. Das Geräusch der schließenden Terrassentür besagt unter Umständen also auch etwas aus über die Befindlichkeit dessen, der gerade gekommen oder gegangen ist. Ein Grund, warum sich mir diese Geräusche und ihre Nuancen so eingeprägt haben, ist womöglich, dass ich oft gelauscht habe auf diese Tür, weil ich darauf gewartet habe, dass jemand kam oder ging, und weil ich wissen wollte, in welcher Stimmung er oder sie sich befand.
Das Foto mit den Birken habe ich vor etwa sechs Jahren in einem kalten März auf einem Spaziergang in der Nähe der Ortschaft Ługowo gemacht, etwas südlich des Städtchens Barlinek in der Wojwodschaft Zachodniopomorskie (Westpommern). Ich habe meinem Vater einen Abzug davon geschenkt, weil Birken seine Lieblingsbäume sind. Ob er oder ich das Foto gerahmt haben, weiß ich nicht mehr. Die Liebe zu Birken habe ich von ihm geerbt, nicht nur ihr Anblick macht mir Freude, sondern auch das Geräusch, das der Wind in ihnen macht. An dieses Foto dachte ich, als ich vor einigen Tagen Georges Didi-Hubermans „Borken“ las, Aufzeichnungen, die er nach einem Besuch in Auschwitz und Birkenau gemacht hat und die mit der Betrachtung eines Stücks Birkenrinde beginnen, das er von dort mitgebracht hatte. Der Text ist untersetzt mit Fotografien, die Didi-Huberman an diesen Orten gemacht hat. „Auf einigen meiner Fotografien sieht man nur Bäume, als hätte mein Blick sich eine Atempause jenseits der Stacheldrähte verschaffen wollen. Doch die Stacheldrähte sind da, mit ihren Zementpfosten und ihren elektrischen Leitungen.“
Ein solches Foto, auf dem man beides sieht, die weißen Stämme von Birken und einen grauweißen, am oberen Ende gebogenenen Zementpfosten, ist auf Seite 49 der deutschen Ausgabe abgebildet. Wenn mir Didi-Hubermans Beschreibungen der Birken und seine Auslegungen des Namens Birkenau nicht schon vorher das bei Ługowo gemachte Foto ins Gedächtnis gerufen hatten, so spätestens dieses Bild. Angesichts der Häufigkeit von Birken in den polnischen Landschaften ist diese Ähnlichkeit jedoch kaum etwas Besonderes und auch die zeitliche Nähe, in der die beiden Aufnahmen entstanden sind – Didi-Huberman hat sein Foto im Juni 2011 gemacht, ich meines, wenn meine Erinnerung stimmt, im Frühjahr 2012 –, ist kaum relevant.
Während ich „Borken“ las, verspürte ich einen vertrauten Groll, eine verhaltene Wut auf meinen Vater (warum nicht auch auf meine Mutter?) darüber, dass er sich in seinem Leben meines Wissens kaum an die Orte der Verbrechen begeben hat, die während seiner Kindheit und frühen Jugend verübt wurden, und dass er niemals eine der Gedenkstätten in Polen besucht hat. Erst vor etwa zehn Jahren, also als mein Vater schon fast achtzig war, besuchten meine Eltern die Gedenkstätte Sachsenhausen bei Oranienburg, wobei der unmittelbare Anlass der war, dass das Bauunternehmen meiner Familie am Bau des neugestalteten Mahnmals beteiligt war. Dennoch wird dieser Besuch auch die Erfüllung einer Schuldigkeit bedeutet haben, die meine Eltern den Toten gegenüber empfunden haben. Erst neulich sprachen sie wieder von diesem Besuch und dass es das erste Mal war, dass sie eine KZ-Gedenkstätte besucht hätten. Wie so oft habe ich Didi-Hubermans Buch, das sich mir allerdings weniger einprägte als andere Texte von ihm, mit dem trotzigen Wunsch gelesen, mein Vater möge es auch lesen. Dass er es läse… aber wozu und was dann?
Das Buch wurde mir von einer Freundin zur Lektüre empfohlen, die dabei sagte, dass Didi-Huberman, den sie persönlich kennt, es zwanzig Jahre lang nicht vermocht habe, diese Reise anzutreten. Ich fragte mich, ohne es auszusprechen, wodurch denn die Länge der Zeit bemessen wird, die man es nicht vermag, nach Auschwitz zu fahren. Hat dieses Unvermögen einen Anfang? Didi-Huberman besucht den Ort als jemand, dessen Großeltern dort ermordet wurden. „Auch wenn ungefähr achthundert Personen namens Huberman im Totenregister der Shoah verzeichnet sind, bin ich nicht in der Situation, nach Auschwitz-Birkenau ‚zurückzukehren‘ – anders als Paula Biren, eine Überlebende des Lagers, es vor Claude Lanzmans Kamera für sich in Anspruch nehmen konnte: ‚Ich habe es gewollt, oft. Aber was würde ich sehen? Wie kann man das aushalten? […] Wie kann ich dorthin zurückkehren, zu Besuch?’“
Ich selber habe Auschwitz und Birkenau einmal am Jahresanfang 1993 oder 1994 besucht, im Rahmen einer einwöchigen Reise mit einer Gruppe von fünf oder sechs Freunden, mit denen ich damals im selben Studentenwohnheim in Frankfurt am Main lebte. Drei von diesen, darunter meine damalige Freundin, waren Polen, und wir wohnten im Elternhaus einer der Mitreisenden in Olesno, einer Kleinstadt in der Nähe von Opole. Dort haben wir den Jahreswechsel gefeiert und mehrere Tagesausflüge gemacht. Wir waren mit einem VW-Bus unterwegs und sind einmal nach Tschenstochowa gefahren und einmal nach Oswiecim. Einiges, was Didi-Huberman beschreibt, deckt sich mit meinen Erinnerungen, vor allem der krasse Unterschied zwischen den Gedenkorten Auschwitz und Birkenau, das relativ geordnete Museum hier, der noch wie aufgelassen daliegende Brachort dort. Jedoch nehme ich an, dass der kuratierte Zustand des Museums Auschwitz, der auf Didi-Huberman einen so abstoßenden Eindruck macht, sich zwischen Anfang der 1990er und 2011 noch einmal stark verändert und möglicherweise forciert hat.
Ich merke, dass dieser Gedankengang kein Ziel haben und bald versiegen wird. Anders als Didi-Huberman, der schreibt, dass seinem scheinbar planlosen Umherirren in Birkenau doch „die Richtung zwingend vorgegeben“ war, und der von seinen „oberflächlichen“ Betrachtungen, seinen Betrachtungen zur Oberfläche, zur Rinde, zur Borke der Birken schließlich über das Lateinische Wort liber zum Buch und damit zur Sinnhaftigkeit des eigenen Schreibens gelangt, habe ich nicht das Gefühl, dass es mir zusteht, die hier aneinander gereihten Assoziationen zu schließen. Es ist nichts dagegen zu sagen, Erinnerungen, Bilder, Zitate zu sammeln und auszulegen, aber ich sollte mich dabei sehen als einen, der gleichzeitig stumm wacht über das unbeschreiblich größere Inventar dessen, was ihm entgeht, was sich seiner Aufmerksamkeit entzieht und für das er auch keine Worte hätte. Es ginge also um ein Schreiben, in dem gleichzeitig ein Verstummen statthaben kann.
Das letzte Kapitel von Sylvie Lindepergs Buch über den Film Nacht und Nebel habe ich auf der Zugfahrt zwischen Fürstenberg und Oranienburg gelesen. Im letzten Kapitel führt sie als Epilog den biografischen Rahmen fort, in den sie das Buch stellt, das Leben von Olga Wormser, deren Vorarbeit als Historikerin sehr maßgeblich in den Film eingegangen ist. Der Epilog greift die Kontroverse auf, die der Veröffentlichung von Olga Wormsers Doktorarbeit folgte, die die erste war, die sich derart genau mit dem KZ- und Deportationssystem beschäftigte. Die Kontroverse drehte sich, zumindest in der verdichteten Darstellung von Sylvie Lindeperg, vor allem um Olga Wormsers Behauptung, dass es in den Konzentrationslagern im „Westen“ keine Gaskammern gegeben habe, was im Kontext ihrer Unterscheidung zwischen den schon ab 1933 gebauten Konzentrations- und Internierunglagern und den später gebauten Vernichtungslagern ein notwendiges Argument zu sein schien. Die Behauptung dass es in den Lagern im Westen keine Gaskammern gegeben habe, wurde jedoch bald widerlegt. Sie stimmte nicht und am eklatantesten wurde dieser Irrtum empfunden im Fall von Ravensbrück, wo in den ersten Monaten des Jahres 1945 eine Gaskammer in Betrieb war, in der geschätzte 4000 Frauen noch kurz vor der Befreiung des Lagers ermordet wurden. Die Überlebenden-Verbände ehemaliger Insassinnen von Ravensbrück haben gegen Olga Wormsers These protestiert und sie mit Gegenveröffentlichungen widerlegt, ebenso wurde ihre Behauptung für das Konzentrationslager Mauthausen widerlegt.
Für mich bedeutete es einmal mehr, in unmittelbarer Nähe der Orte von ihrer Geschichte zu lesen. Ich habe einen Großteil des Buchs auf Zugfahrten von und nach Fürstenberg gelesen, wo ich entweder kurz vor der Abfahrt oder gleich nach der Ankunft mit dem Auto an der Zufahrt zur Gedenkstätte Ravensbrück und der gespenstischen, in Bronze gegossenen Vierergruppe vorbeifahre, die dort auf der Weggabelung vor einer beginnenden Kiefernschonung steht und abends unbeleuchtet immer wie irrende Passanten kurz im Scheinwerferlicht auftauchen (wenn man aus Fürstenberg raus fährt). Ich wusste nicht, dass es in Ravensbrück auch eine Gaskammer gegeben hat, bis ich es heute las. Vielleicht wusste ich es, aber habe ihm bisher keine gesonderte Beachtung geschenkt. Auch Oranienburg, wo die Züge derzeit enden und man auf die S-Bahn umsteigen muss, kommt in dem Buch notwendigerweise immer wieder vor, und auch in diesem außerordentlich genau recherchierten Buch merkt man, dass diese Orte der Autorin weit weg sind, weiter als Struthof oder…. und ich fühle mich dann am anderen Ende dieser Kommunikation, in der Landschaft, von der die Rede ist. Als ich heute kurz aufblickte beim Lesen, las ich auf der Zeitung des mir Gegenübersitzenden die Schlagzeile „6000 Tote durch Diesel-Abgase“.
Als ich das Buch zuende gelesen hatte, habe ich lange nichts gelesen, bin in Berlin umgestiegen in den Intercity nach Köln auf die lange Fahrt nach Duisburg, wo ich nochmal umzusteigen hätte nach Oberhausen. Ich habe dagesessen in dem überfüllten und überbuchten IC und habe die nervöse, gekränkte Empörung über „die Deutsche Bahn“ über mich ergehen lassen, die bei niemandem von so tief unten zu kommen scheint wie bei den Deutschen. Die tiefe Sonne schien mir von links vorne ins Gesicht und ich bin immer wieder eingeschlafen mit unfertigen hypothetischen Gesprächen im Kopf, an die ich mich nicht erinnern kann und die etwas argumentierendes, aber schwaches hatten, etwas von schwachen Argumenten, oder mit wenig Überzeugung vorgebrachten Argumenten. Wenn ich wach war, dachte ich hin und her zwischen dem letzten Gespräch mit B. und der Tatsache, dass ich durch die Beschäftigung mit Nacht und Nebel in den letzten Wochen mich wieder einmal detaillierter auf das Grauen eingelassen habe, von dem ich sagen würde, dass es nie vergessen ist in mir, aber dessen Details mir dann bisweilen doch immer noch neu sind. Es ist nicht oft, dass man lange und genau hinsieht, dass ich es überhaupt aushalte, lange und genau hinzusehen.
Weil die Aussicht darauf, die lange Fahrt bis Oberhausen in Lethargie diesen Gedanken nachzuhängen, mir nicht gefiel, habe ich das nächste Buch zur Hand genommen, das ich lesen wollte auf dieser Fahrt und ebenfalls bereits zu lesen begonnen hatte, Hélène Cixous Osnabrück, das Buch über ihre Mutter. Mir war klar, dass ich damit nicht weit weg käme von Ravensbrück und Oranienburg und den Konzentrationslagern und just in der Passage, die nun zu lesen anstand, rekapituliert die Mutter in einer, wie Cixous es beschreibt, ständig schneller werdenden hastigen Litanei alle Verwandten, angefangen in der Generation ihrer eigenen Großmutter, wo sie herkamen und wo sie hingingen. Viele verschwanden in den KZs, manche sind fortgegangen, nach Südamerika, Südafrika, Israel und London, aber alle kamen sie aus dem nördlichen Ruhrgebiet und Westfalen, aus Orten, auf die ich nun zufuhr, Essen, Mülheim, Osnabrück, und aus kleineren Orten wie Borken und Westerkappel.
Als ich schon in Essen umstieg, weil es wegen der Verspätung die schnellere Variante schien, wurde gerade ein Zug nach Borken ausgerufen, von dem ich mich beim Lesen noch gefragt hatte, wo es läge. Jetzt sitze ich in der Küche meiner schon vertraut gewordenen Souterrain-Wohnung am Grillopark, stelle fest, dass „Borken“ auch der Titel des Buchs von Didi-Huberman ist und bin nicht sicher, wem ich den Satz zuordnen muss, der mir im Kopf ist – Hélène Cixous oder Olga Wormser -, dass sie ihr Leben lang die Toten in sich getragen habe (- der letzteren). Ich frage mich nach der Bedeutung von Fronhausen, eines Statdtteils von Essen, durch den die S-Bahn eben fuhr, dass es womöglich einen Ort bezeichnete, an dem diejenigen lebten, die bei anderen in der Fron standen, ich denke, dass alles unweigerlich zusammenhängt, und ich denke an Moses, dessen Antwort an den Dornbusch, „Lass mich in Ruhe meine Schafe weiden“ mir so viel Eindruck machte, der sich dann aber doch aufmachte, und den Fronvogt erschlug.
Vor ein paar Tagen habe ich mit einer Kollegin von der Filmuniversität Babelsberg einen Email-Austausch über Celino Bleiweiß‘ Kurzfilm Das Spiel geführt. In dem Film wird eine Gruppe von der SS zur Hinrichtung abgeführter Männer durch den Mut und das Geschick eines von ihnen gerettet. Das Spiel hat in mir einen heftigen Widerwillen ausgelöst, die Form der Heldengeschichte, der Spannungsaufbau, der zu dem gleichen Voyeurismus einlädt, der die SS-Leute im Film zu ihrem makabren Scherzchen treibt, die unangebrachte, relativierende Distanz, die da eingenommen wird zu dem noch nicht so lange zurückliegenden Schlachten, und ich habe I. geschrieben, dass mir die wichtigere Herausforderung auch heute noch die ist, einen Umgang mit den Toten zu finden und nicht die Helden zu feiern. Dass es nicht anstehe, die Helden zu feiern, ehe man nicht seinen Umgang mit den Toten gefunden hätte. Aber steuert das nicht darauf hin, zu sagen, dass es nichts zu feiern gibt, ehe man diesen nicht gefunden hat? Und kann ich ihn jemals finden, heute noch? Und ist es ein Frieden, der mir zusteht und zugedacht ist? In den selben Landschaften, in denen die Toten namenlos gemacht wurden, bin ich jetzt manchmal glücklich, finde dort einen Frieden, der aber wohl nichts mit dem Frieden zu tun hat, der mit den Toten zu schließen wäre. Oder womöglich doch, wenn man sich die Toten nicht als eifersüchtig und rachsüchtig vorstellen will.