Gegen die Zeit war eine zweitägige Werkschau aus neun Filmen von Peter Nestler, die im Rahmen des 34. Kasseler Dokfests im November 2017 zu sehen war. Die Auswahl wurde von Tobias Hering kuratiert. Die Werkschau fand statt in den Kasseler Bali-Kinos und in Anwesenheit von Peter Nestler.
Seit seinen ersten Filmen Anfang der 1960er Jahre interessiert sich Nestler für Menschen, Orte und Beschäftigungen am Rande der breiten Aufmerksamkeit und er ist dabei selber jemand geblieben, der nie im Rampenlicht stand und der in keine Schublade passt. Indem er sich gedankliche und gestalterische Freiheiten nimmt, hat Peter Nestler eine eigene dokumentarische Form entwickelt, einen Non-Konformismus ohne Geschrei, einen poetischen Protest, der sich vor allem gegen Geschichtsvergessenheit und Vorurteile richtet und damit kaum dringlicher sein könnte als heute.
In seiner je eigenen Form ist jeder der rund 70 Filme, die Peter Nestler bis heute gemacht hat, ein Film gegen die Zeit: gegen die scheinbaren Selbstverständlichkeiten der Zeit, in der er entstanden ist, aber auch gegen den „Lauf der Zeit“ als Sinnbild für ein Vergessen, das auf Kosten derer geht, denen Unrecht getan wird. „Seit ich angefangen habe, Filme zu drehen, habe ich immer nur versucht, der Sache, die ich mir vorgenommen hatte, auf den Grund zu kommen. Ich habe versucht, den (für mich) kürzesten Weg zu finden und das Wichtigste der Sache zu zeigen: zum Erkennen, zum wieder Erkennen und um mit vielen zu sagen, dieses gehört geändert, oder jenes soll bewahrt werden oder nicht übersehen.“ (Peter Nestler)
Auch wenn sich Nestler stets viel Zeit für Recherche und Analysen zu seinen Themen nimmt, bleiben die Filme offene Konstrukte, zu denen der Betrachter ein eigenes Verhältnis entwickelt. Was Rainer Komers, der seit dem Film Die Judengasse (1988) über die jüdische Geschichte Frankfurts wiederholt mit Peter Nestler zusammengearbeitet hat, einmal seine „wortlose Übereinkunft“ mit diesem nannte, stellt sich auch beim Zuhören und Betrachten der Filme ein. Wortlose Übereinkunft und zudem das Erstaunen darüber, dass man diesem außergewöhnlichen Werk so selten begegnet.
Programm 1
Am Siel (By the Dike Sluice) | D 1962, 13 min, deutsch, englische UT | Regie: Peter Nestler
Uppför Donau (Die Donau rauf) | SE 1969, 31 min, deutsche Fassung, englische UT | Regie: Peter Nestler in Zusammenarbeit mit Zsóka Nestler
Die Hohlmenschen (The Hollow People) | SE 2015, 4 min, deutsch, englische UT | Regie: Peter Nestler, nach einer Kurzgeschichte von Etgar Keret
Die Judengasse | D 1988, 44 min, OF (deutsch) |Regie: Peter Nestler
Programm 2
Ödenwaldstetten | D 1964, 36 min, deutsch, englische UT | Regie: Peter Nestler
Hur gör man glas? (Hantverksmässig) / Wie macht man Glas? (handwerklich) | SE 1970, 24 min, deutsche Fassung, englische UT | Regie: Peter Nestler in Zusammenarbeit mit Zsóka Nestler
Fos-sur-Mer | SE 1972, 24 min, deutsche Fassung, englische UT | Regie: Peter Nestler in Zusammenarbeit mit Zsóka Nestler
Programm 3
Ein Arbeiterclub in Sheffield (A Working Men’s Club in Sheffield) | D 1965, 41 min, deutsch und englisch | Regie: Peter Nestler
Utlänningar. Del 1. Båtar och kanoner (Ausländer. Teil 1. Schiffe und Kanonen) | SE 1977, 45 min, deutsche Fassung, englische UT | Regie: Peter Nestler in Zusammenarbeit mit Zsóka Nestler