In deutscher Gesellschaft

In deutscher Gesellschaft: Passagen-Werke ausländischer Filmemacher*innen 1962-1992 war eine von Tilman Baumgärtel und Tobias Hering konzipierte und kuratierte Filmreihe, die im September 2018 im Zeughauskino Berlin stattfand und von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde. Details zu den gezeigten Filmen finden sich im Programmarchiv des Zeughauskinos. Auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung ist zur Reihe ein Dossier mit Texten von Tilman Baumgärtel, Madeleine Bernstorff, Ilka Brombach, Judith Früh, Karina Griffith und Tobias Hering erschienen.

They call it love (King Ampaw, 1970)

In der Antike schätzte man einen Gast dafür, dass er Grenzen aufbricht und das, was als normal und alltäglich gilt, mit einem anderen Blick betrachtet. Während in Deutschland derzeit ein neo-nationalistischer Diskurs über Heimat und Identität forciert wird, gibt die Retrospektive Gelegenheit, sich ein vielfältiges Bild davon zu machen, wie in der jüngeren Vergangenheit Filmemacher*innen die Perspektive des Gastes eingenommen und ihre Erfahrungen mit Deutschland, Ost und West, filmisch umgesetzt haben.

Ausgelöst wurde das Recherche-Interesse von Filmen, die Einzelfälle blieben: Werke von Regisseur*innen, die bislang kaum mit dem deutschen Filmschaffen assoziiert wurden, deren Filmografien andernorts weitergingen, die in Vergessenheit gerieten oder gänzlich unbekannt blieben. Die weitere Suche führte in die Archive von Fernsehredaktionen und Kinematheken, in die Produktionsgeschichte von Filmhochschulen und die Stipendiatenverzeichnisse des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Es zeigte sich, dass es jenseits der Herausbildung eines „migrantischen“ deutschen Kinos, das sich erst in den 1980er Jahren zu etablieren begann, immer wieder Filmemacherinnen und Filmemacher gegeben hat, die aus Not, Glück oder Zufall eine Zeit lang „in deutscher Gesellschaft“ gelebt haben und deren Filme nicht primär der Selbstdarstellung einer „Minderheit“ verpflichtet waren. Unter dem Begriff Passagen-Werke brachte die Reihe Filme zusammen, deren Autor*innen als Durchreisende in die Bundesrepublik oder die DDR kamen und die bislang kaum gemeinsam in den Blick genommen wurden.

Mithilfe der verschiedenen Leihgeber und Archivar*innen ist ein Programm entstanden, das vergessene oder bislang wenig beachtete Filme mit solchen zusammenbringt, die zwar eine Rezeptionsgeschichte haben, aber hier in einem neuen Licht erschienen. Indem sich die Filmauswahl auf 1962 bis 1992 konzentrierte, zitierte sie eine gängige Rahmung der jüngeren Geschichtsschreibung, um in ihr jedoch Erfahrungen von kultureller Heterogenisierung sichtbar zu machen, die beide deutschen Staaten von Anfang an geprägt haben und die schon früher filmisch reflektiert wurden, als es der bekannte Kanon nahelegt.

In deutscher Gesellschaft: Passagen-Werke ausländischer Filmemacher*innen 1962- 1992 erhebt keinen Anspruch, das beschriebene Suchfeld repräsentativ oder vollständig darzustellen. Indem es gerade die Lücken der bisherigen Wahrnehmung bespielt, verweist das Programm vielmehr auf die Notwendigkeit künftiger Entdeckungen. Sollte diese „Retrospektive“ dazu beitragen, die Gegenwart besser zu verstehen, so deshalb, weil diejenigen, die fremd waren (und es oft auch blieben), sensibel waren für das, was unter der Oberfläche geschah oder noch keinen Namen hatte, und weil sie den Mut, die Fantasie und die Mittel hatten, es in ihren Filmen zum Ausdruck zu bringen.