Retrato de inverno de uma paisagem ardida

Versuch einer Beschreibung des Films Retrato de inverno de uma paisagem ardida (Winter’s portrait of a burnt landscape, 2008) von Inês Sapeta Dias

Es regnet auf einen Wald. Es lässt sich nicht sagen, wann der Regen begonnen hat, aber es scheint, als regne es schon eine Weile. Die Bäche sind voll und gabeln sich um die Bäume. Alles ist nass. Irgendwann war einmal alles trocken und der Wald stand in Flammen. Auch das ist nun schon eine Weile her, aber die Landschaft trägt noch die Spuren dieses Brandes. Verkohlte Stümpfe, schwarze Stämme, rostrote Kiefern aus einem unzeitigen Herbst. Dazwischen neue Triebe schon, die in dem plötzlichen Licht, das ihnen zufiel, schnell emporgeschossen sind. Erst nach und nach, von einem Bild zum nächsten, zwischen den Einstellungen, beginnt man, diese Dinge zu verstehen und zu sehen. Der Regen, den man hört, ist nicht der Regen, den man sieht. Dieses Gefühl stellt sich schnell ein, dass die Töne an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit aufgenommen wurden als die Bilder. Während die Bilder wechseln, bleibt der Ort, von dem der Ton kommt, konstant. Das nasse Tropfen, das Klackern und Glucksen lässt an einen Schuppen denken, einen Unterstand, eine offene Konstruktion aus Holz und Wellblech mit einer Regenrinne. Dieses Bild nimmt Gestalt an, ohne dass man es sieht: ein Unterstand, in den man gerade weit genug hinein getreten ist, um nicht nass zu werden. Von dort lauscht man dem Regen, während die Kamera durch den Wald wandert und Bilder sammelt, wie andere am gleichen Ort Brennholz oder Pilze sammeln würden.

Dann, als der Regen nachlässt, setzt das Geräusch von Motorsägen ein, und einzelne Waldarbeiter tauchen in den Bildern auf, die den Wald aufräumen, indem sie Bäume fällen. Auch hier entsprechen sich Bilder und Geräusche von Ferne, sind aber nie synchron im Sinne eines Direkttons. Alles ist Collage, wie der Wald, bewirtschaftete Wildnis. Irgendwann ist der Unterstand abgetragen und wir hören den Regen nicht mehr. Nach einer Weile verschwinden die Bäume aus den Bildern, kippen die Wipfel, kommt Himmel ins Bild und dann hinter den Hügeln die Windräder, die sich in einem stummen Wind drehen. Irgendwann, aber es wird einem wieder erst nachträglich bewusst, ist etwas mit dem Ton geschehen, sind Geräusche hinzugetreten, die nicht mehr mit dem Wald zu tun haben. Der Regen hat aufgehört und die Geräusche werden musikalisch, Frequenzgeräusche, technische Geräusche zunächst, die keinerlei Bild hervorrufen und die ortlos sind. In einer letzten Wendung drängen auf diese Tonspur, die sich schon längst von den Bildern gelöst hat, nun Schellengeräusche und Saitenklänge, ein klagender Geigenbogen, das blecherne Hämmern eines Schlegels auf einer Glocke, die nicht vibriert. Hände, die Töne hervorbringen, rhythmisch, zeremoniell, ungehalten, fordernd. Wieder erst nachträglich kommt das Gefühl, dass man sich mitten in einer Beschwörung befindet und dass sich die Töne mit wachsender Dringlichkeit auf die Bilder richten, in diese eindringen und dort etwas heraufzubeschwören suchen, was jeden Moment sichtbar werden kann. Weiterhin der Wald, der lichter gewordene Wald, die Stümpfe, die Windräder, irgendwann auch wieder Regen, den man nun nicht mehr hört, und eine Musik, die neben uns steht und auf das eindringt, was wir sehen und uns dieses unheimlich macht, weil wir annehmen müssen, dass sie Macht hat über die Bilder und wir sehen müssen, was die Töne erzeugen.

Dies ist der Versuch, eine Ablösung zu beschreiben. Das Auseinanderlaufen von Bild und Ton, ihre sukzessive Entfremdung und eine drastische Wandlung ihrer Beziehung. Dabei geht es nicht um eine sukzessive Asynchronie oder ein Abwandern des Tons ins Off, denn der Ton ist von Anfang im Off. Anfangs jedoch schienen Bild und Tonspur von der gleichen Landschaft zu erzählen, schien der Ton aus einem nahen Off zu kommen, einem zwar leicht versetzten aber ähnlichen Raum wie die Bilder. Dann jedoch verschiebt sich die Lage des Tons, indem sich sein Charakter ändert. Er erzählt nicht mehr von Wald, sondern evoziert eine Anrufung, eine Beschwörung durch Musik, die immer dringlicher wird und immer mehr auf die Bilder eindringt, um dort etwas sichtbar werden zu lassen, was sich verbirgt. Es kommt mir vor, als wandere der Ton in diesem Film einmal um den Betrachter herum. Von einem Punkt hinter dem Bild oder daneben zu einem Punkt hinter dem Rücken des Betrachters, von wo aus der Ton auf die Bilder eindringt und dem Blick, der die gleiche Richtung hat, etwas von seiner beschwörenden Dringlichkeit vermittelt, eine Art hektischer Euphorie, die nicht weiß, was sie erwartet, aber es kaum erwarten kann, dass es eintritt. Diese Bewegung, eine Kreisbewegung um den Betrachter, findet ganz im Off statt. Niemals tritt der Ton ins Bild in dem Sinn, dass seine Quelle dort identifizierbar würde. Erst am Ende, als etwas bevorsteht, von dem man nicht sagen könnte, was es sein wird, wird man gewahr, dass alles Evokation war und nichts Beschreibung. Das Evozierte tritt jedoch nicht ins Bild.

Tobias Hering